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Interview / 04.04.2016
MIT HUNDEN GEGEN DIE PALÄSTINENSER

Das Interview wurde zuerst im Schweizer Hundemagazin 3/16 publiziert. Von Klaus Petrus ist zu diesem Thema auch ein Artikel unter dem Titel Israelische Hundejagd auf Palästinenser im Hintergrundmagazin INFOSPERBER erschienen.

KLAUS PETRUS: Das israelische Militär soll Diensthunde gegen die palästinensische Zivilbevölkerung einsetzen.
AHMAD SAFI: Das ist nichts Neues. Schon während der ersten Intifada Ende der 1980er Jahre hetzten israelische Soldaten und Siedler Hunde auf uns. Ich war noch ein Kind und hatte panische Angst. Doch in jüngster Zeit nehmen die Angriffe wieder zu. Deswegen hatte unsere Tierschutzorganisation Palestinian Animal League (PAL) Ende 2015 eine Petition lanciert: Sie soll den Einsatz von «Kriegshunden» gegen die palästinensische Bevölkerung verbieten. Im Februar 2016 konnten wir die Petition mit 2.000 Unterschriften aus 67 Ländern der niederländischen Botschaft in Ramallah übergeben.

Wieso die niederländische Botschaft?
Die meisten dieser «Kriegshunde» – übrigens fast alles Schäferhunde – werden aus Holland importiert. Deshalb hat sich auch die palästinensische Menschenrechtsorganisation Al Haq unlängst in einem offenen Brief an die niederländische Regierung gewandt und den Einsatz solcher Kriegshunde verurteilt.

Ist denn der Einsatz solcher Hunde überhaupt legal?
Nein, der Einsatz von Hunden gegen Zivilisten zum Zwecke der Einschüchterung widerspricht der Vierten Genfer Konvention. Und die niederländische Regierung nimmt die Angelegenheit auch ernst, wie sie in einem Schreiben an Al Haq beteuerte. Wir werden sehen, was daraus wird.

Ganz konkret: Wie werden die Hunde eingesetzt?
Die israelische Armee bringt sie an Kundgebungen mit, sie sind bei nächtlichen Hausdurchsuchungen dabei oder gar bei Verhören. Das ist inzwischen sehr gut dokumentiert. Zum Beispiel wurde einem 15-jährigen palästinensischen Teenager angedroht, es werde ein Hund beim Verhör anwesend sein, sollte er nicht zugeben, dass er Steine und Molotowcocktails gegen israelische Soldaten geworfen habe. Ein 16-Jähriger wurde während einer Demo von einem israelischen Diensthund in die Schulter und ins Bein gebissen. Die Liste solcher Hundeattacken ist inzwischen lang.

Die israelische Armee sagt, sie habe Untersuchungen eingeleitet.
Ja, das war 2012. Damals brachte die israelische Organisation B'Tselem ein Video an die Öffentlichkeit, in dem sich ein israelischer Diensthund regelrecht in einen palästinensischen Jugendlichen verbeisst. Daraufhin stellte die israelische Armee den Einsatz dieser Hunde ein. Aber nur vorübergehend. Inzwischen ist wieder alles beim Alten.

Sind diese Hunde speziell ausgebildet?
Man wird es kaum glauben, aber: Sie werden auf uns abgerichtet. Das gilt auch für jene Hunde, die von den jüdischen Siedlern auf uns gehetzt werden. Es gibt Videos, in denen angeblich verdächtige Personen angegriffen werden. Sie werden von Israelis gespielt, die sich als vermummte palästinensische «Terroristen» verkleiden. Aber wissen Sie, das ist nur die eine Seite der ganzen Sache. Die andere ist der soziale Impact, den solche Angriffe auf die palästinensische Bevölkerung haben.


Was meinen Sie damit?
In muslimisch geprägten Gesellschaften gelten Hunde als haram, als «unrein». Zudem sind viele Menschen der Ansicht, Hunde seien hinterhältig, durchtrieben und aggressiv. Dieses Bild vom Hund macht, dass sie bei uns einen wirklich schweren Stand haben. Vor allem Strassenhunde, von denen es in Palästina immer mehr gibt.

Was passiert mit diesen Hunden?
Viele von ihnen sind krank oder unterernährt und werden von den Leuten und der Polizei vertrieben, vergiftet oder erschossen. Lletztes Jahr haben wir gemeinsam mit der An Najah Universität in Tulkarm, das ist ein Dorf im Nordwesten der Westbank, ein Pilotprojekt gestartet, um die Situation der Strassenhunde genau zu erfassen. Wir haben hunderte Hunde eingefangen, kastriert und medizinisch versorgt. Das ist sehr wichtig und wir sind gegenwärtig daran, dieses Projekt auf weitere Dörfer und Städte auszuweiten. Allerdings mussten wir auch einsehen: Kastrieren allein beseitigt das Problem noch lange nicht. Es muss zugleich etwas in den Köpfen der Leute passieren.

Was bedeutet das?
Wir brauchen eine neue Mensch-Hund-Beziehung. Wir müssen der palästinensischen Bevölkerung zeigen, dass Hunde anders sind. Dass sie einen Platz in unserer Gesellschaft haben, dass sie zu uns gehören. Aber das geht nicht solange die, die uns dominieren, sie regelrecht abrichten, um uns in Angst und Schrecken zu versetzen.

Sie denken also, dass solche Hundeattacken seitens der Israeli das negative Bild vom Hund weiter zementieren?
Ja. Sie müssen sich das einmal vorstellen: Eine Besatzungsmacht setzt Hunde als Waffe ein, um Ihnen Angst zu machen oder Sie zu verletzen. Was löst das bei Ihnen aus? Sie hassen nicht bloss das israelische Militär, sondern auch Hunde.

 

MENSCHEN UND HUNDE IN PALÄSTINA

Es gibt immer mehr Strassenhunde in Palästina. Und damit auch immer häufiger Konflikte zwischen Menschen und Hunden. Die Palestinian Animal League (PAL) ist die einzige Tierschutzorganisation im Land und hat jetzt eine Kampagne lanciert.

Dabei geht es nicht nur darum, die Tiere zu kastrieren und medizinisch zu versorgen. Auf dem Spiel steht nichts weniger als eine neue Mensch-Hund-Beziehung. Denn bekanntlich haben Hunde in arabischen Gesellschaften keinen besonders guten Ruf, was grösstenteils kulturell oder religiös bedingt ist. Entsprechend hat PAL zusätzlich eine Aufklärungskampagne gestartet, um den Menschen ein anderes Bild vom Hund aufzuzeigen.

Klaus Petrus von METIBE wurde von PAL damit beauftragt, die Kampagne mit Fotografien, Videos und Interviews zu begleiten und so eine Dokumentation zu erstellen, die sich vielfältig verwenden lässt: für Veterinärstudenten, die Medien, andere Tierschutzorganisationen, die Bevölkerung sowie die lokalen Behörden.

Unterstützt wird diese Dokumentation von NetAP – Network for Animal Protection und der DiOro Stiftung.

Haben Sie Interesse an unserem Projekt über Palästinas Strassenhunde oder möchten Sie es finanziell unterstützen? Hier erfahren Sie mehr darüber oder setzen Sie sich direkt mit uns in Kontakt: info@metibe.ch.

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